Dienstag, 28. Februar 2012

Die alte Leier – eine Nachbetrachtung der Oscars 2012

Die Academy Awards 2012 sind Geschichte und haben trotz Glanz und Glamour einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Selten wirkte eine Oscarverleihung so einfallslos, so glatt gebügelt, so ohne Ecken und Kanten wie diese. Man wollte allem Anschein nach auf Nummer sicher gehen, nachdem das Duo Anne Hathaway & James Franco im vergangenen Jahr – teils zu Recht – viel Kritik einstecken musste und nicht wie erhofft an Hugh Jackmans Gala von 2010 anknüpfen konnte.

Die Entscheidung, den als Host abgesprungenen Eddie Murphy durch Altclown Billy Crystal zu ersetzen und nicht etwa das Risiko einzugehen, einem frischeren Gesicht eine Chance zu geben, passte da wunderbar hinein. Crystal lieferte dann auch genau das ab, was ich erwartet hatte: Eine altbackene, gänzlich harmlose Vorstellung. Schon das lahme 08/15-Intro mit Gastauftritten von George Clooney (hatten wir schon zu oft, als dass es noch lustig wäre), Justin Bieber (wtf?) oder Tom Cruise (der wohl mal wieder beweisen wollte, dass er sich trotz Scientology ja so toll selbst auf die Schippe nehmen kann) ließ nichts Gutes erahnen. Dieser Eindruck bestätigte sich bei Crystals Opening-Nummer, die genauso uninspiriert ausfiel wie der Rest seiner Moderation. Einfach ein paar Zeilen über jeden der nominierten Filme zu singen, funktioniert eben nicht immer so gut wie bei Mr. Jackman, erst recht nicht, wenn man es mit einer derart undeutlichen Aussprache tut. Ironischerweise hatte Crystal seine beste Szene, als er sich verhaspelte und spontan noch einmal "zurückspulte". Da schimmerte zumindest mal ein Hauch von Kreativität durch. Wer sehen will, wie es richtig gemacht wird, dem sei Jon Stewarts spitzzüngiger und intelligenter Eröffnungsmonolog von 2006 ans Herz gelegt, inklusive Vorfilmchen.

Aber auch sonst lag einiges im Argen. Wozu die Kategorie "Bester Filmsong" überhaupt noch existiert, wenn lediglich zwei Stücke nominiert und dann nicht einmal in voller Länge präsentiert werden, weiß der Himmel. Gerade diese musikalischen Live-Performances, die vor gar nicht allzu langer Zeit noch integraler Bestandteil der Oscars waren, ehe sie aus mir schleierhaften Gründen plötzlich gestrichen wurden, haben doch stets einen Reiz der Veranstaltung ausgemacht und entscheidend zur "großen" Atmosphäre beigetragen. Wie viel, merkt so mancher vielleicht erst jetzt, wo sie nicht mehr da sind. Eine einzige, fünfminütige Akrobatikeinlage des Cirque du Soleil kann diesen Verlust nicht ansatzweise kompensieren. Da ist es mir auch herzlich egal, dass mit über fünfzig beteiligten Artisten ein neuer Rekord aufgestellt wurde.

Auf dem roten Teppich und später im Saal tummelten sich, von wenigen, überwiegend unscheinbaren Ausnahmen abgesehen, die üblichen Verdächtigen. Die talentfreie Cameron Diaz und die noch talentfreiere Jennifer Lopez, bei denen man sich ernsthaft fragen muss, was sie bei den Academy Awards, einer Preisverleihung für höchste Schauspielkunst (!), verloren haben, eine Sandra Bullock, die während des ganzen Abends aussah, als bräche sie jeden Augenblick in Tränen aus, Gwyneth Paltrow, die auch nach 14 Jahren immer noch von "Shakespeare in Love" zehrt, die bis auf die Knochen abgemagerte Angelina Jolie mit ihrer jetzt schon legendären wie lächerlichen Beinfrei-Pose – sie alle gehören offenbar zum festen Inventar und dürfen darum jedes Jahr aufs Neue ihre edlen Designer-Fummel vorführen. Oder – verrückter Gedanke – werden sie womöglich nur als Futter für die Klatschpresse missbraucht?! Die Krönung der Oscar-Klüngelei war dann Meryl Streeps erneuter Triumph, der einem Schlag ins Gesicht der anderen Nominierten wie Michelle Williams oder Viola Davis gleichkam und von ihr mit sichtlichem Vergnügen ausgekostet wurde, denn damit hatte sie ja nun wirklich nicht gerechnet, nicht diesmal, und ach, und och. Immerhin gingen Brad Pitt und George Clooney, die wieder in der ersten Reihe saßen, leer aus. Apropos erste Reihe: Jack Nicholson, bekanntlich ein früherer Stammgast, war zum wiederholten Male nicht anwesend! Mir persönlich gibt das zu denken.

Aber war denn wirklich alles schlecht? Mitnichten, das eine oder andere Highlight gab es natürlich sehr wohl. Den erfreulichen Oscargewinn von Jean Dujardin, dessen Grinsen noch ansteckender ist als das von "Mr. Zahnpasta" Clooney, und seine anschließende Dankesrede zum Beispiel. Oder die freche, an diesem so angepassten Abend wohltuend unangepasste Laudatio von Emma Stone, die ihren Partner Ben Stiller im wahrsten Sinne des Wortes ganz schön alt aussehen ließ und auch optisch allen die Schau stahl. Oder Robert Downey Jr., der in bester Tony-Stark-Manier aus dem Einheitsbrei herausstach. Der unerwartete Auftritt von Christian Bale ließ mich sogar in euphorischen Jubel ausbrechen, auch wenn ich tief in mir wusste, dass er vermutlich nur deshalb eingeladen worden war, weil er inzwischen auch dem elitären Kreis der Preisträger angehört. Andernfalls hätte ihn mit ziemlicher Sicherheit das gleiche traurige Schicksal wie Michael Fassbender oder Ryan Gosling ereilt.

Was bleibt, ist die Hoffnung auf Besserung im nächsten Jahr, dann hoffentlich mit einem unverbrauchten Host (meine Vorschläge: Neil Patrick Harris, Jimmy Fallon, Conan O’Brien), einer glorreichen Rückkehr der Live-Performances, mehr Abwechslung unter den geladenen Gästen, anderen Nominierten und Siegern, denen man ihren Sieg von Herzen gönnen kann.
Träumen wird doch erlaubt sein, oder?

4 Kommentare:

  1. Sehr geiles "Review", musste einige Male schmunzeln, gerade der Abschnitt mit Meryl Streep ist köstlich ^^.

    Gruß
    Garfield

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  2. Die Academy sollte sich wirklich mal überlegen, was sie angesichts so vieler Filmfestivals mit dem Oscar überhaupt noch erreichen will

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